Für die meisten Leute sind die Elemente, die unser Leben schön und bequem machen, sogenannte "low involvement products". Strom, Gas und Wasser kommen halt aus der Wand, Wasser verschwindet nach Gebrauch sogar wieder darin. Das ist selbstverständlich. Eigentlich immer. Wirklich? Darüber haben wir mit Eva Exner gesprochen, die bei den Wasserbetrieben den Netzbau verantwortet, mit ihren rund 200 Mitarbeitenden dafür zuständig ist, dass Rohre und Kanäle für Trink- und Abwasser erneuert, repariert und saniert werden und so für zukünftige Generationen geschützt und erhalten werden.
Auf jeden Fall und für mich vor allem einer, den man gar nicht mit einem Geldwert aufwiegen kann. Denn dass wir es uns heute leisten können, unsere Gesundheit noch mit Salaten, Yoga und ein paar Pillen zu tunen liegt ja vor allem daran, dass uns eben keine Epedemien mehr dahinraffen, wie das noch vor wenigen Generationen praktisch gottgegeben schien. Heute kämpfen wir bestenfalls mit Cholesterin und nicht mehr gegen Cholera. Die Lebenserwartung hat sich in den vergangenen 150 Jahren mehr als verdoppelt. Daran haben die Medizin, die Ablösung schwerer Arbeit und andere Faktoren ihre Aktien, ganz wesentlich aber war die Einführung hygienischer Verhältnisse. Nicht umsonst gelten ja aus unserer Wasserbetriebe-Sicht der Bauingenieur und Stadtplaner James Hobrecht und der Hygieniker und Arzt Rudolf Virchow als Nationalheilige, denn den beiden verdanken wir die Kanalisation und damit jede Menge zusätzlicher Lebensjahre. Und diese Jahre genießen wir ja nicht nur, in dieser Zeit schaffen wir ja auch Werte.
Das ist zwar auch ein Batzen Geld, aber natürlich eine nüchterne Buchhalter-Sicht und bildet die davon abhängigen Werte wie Gesundheit, Umwelt- und Lebensqualität und Komfort nicht mal ansatzweise ab.
Dann müssten wir die Stadt aber mindestens ein paar Jahre baustellenhalber umsiedeln, in die Lausitz vielleicht (lacht) und ein paar Milliarden können wir auch noch abziehen, weil die meisten Rohre ja doch nicht das Kaliber von denen in der Landsberger Allee haben. Aber halten wir uns doch mal an die Fakten. Wir erneuern, sanieren oder erweitern im Jahr gut 130 Kilometer Rohre und Kanäle. Das ist ein Stück weiter als die Luftlinien-Entfernung Berlin-Magdeburg und dahinter stehen rund 250 Mio. Euro Investitionen – Geld, das letztlich auch erstmal erwirtschaftet werden muss.
So ist es. Und für viele Menschen, Autofahrer:innen ganz speziell, ist jede Baustelle eine zuviel. Wenn ich nur durch diese Brille gucke, dann kann ich das sogar verstehen, schließlich fahre ich ja nicht nur mit den Öffis oder dem Rad. Durch meine Brille sehe ich aber zentral den notwendigen Funktions- und Substanzerhalt unserer Netze. Zum Bild gehört aber mehr, etwa das Kostenmanagement und das Abstimmen, wann wir wo was machen dürfen ohne allzusehr zur Verkehrsbremse zu werden. Das ist immer wieder eine Gratwanderung und bedarf eines immer größeren Kommunikationsaufwandes.
Nehmen wir den Tempelhofer Damm zwischen Platz der Luftbrücke und Borussiastraße. Dort müssen wir drei große Abwasserdruckleitungen tauschen, weil sie noch aus der Gründerzeit der Kanalisation vor 150 Jahren stammen und den heutigen Lasten nicht mehr lange standhalten werden. Lange Zeit hat man uns da nicht rangelassen, weil der Te-Damm eben eine so wichtige Magistrale ist. Jetzt dürfen wir, aber das eben nur koordiniert von uns gemeinsam mit der BVG, die ihren U-Bahn-Tunnel dichtet, mit Vattenfall, dem Bezirk und dem Land. Im Ergebnis wird eine komplett neue Straße entstehen, von den Medien im Boden bis hin zu neuen Fahrbahnen, Rad- und Fußwegen sowie Grünstreifen. So ähnlich läuft es zusammen mit BVG und NBB bald auch in der Gneisenaustraße.
Ja, aber nach der schnappen wir. Wir setzen zum Beispiel an immer mehr Stellen wiederverwendbare Interimsleitungen ein. Damit können wir schneller bauen, weil wir uns damit von saisonalen betrieblichen Anforderungen unabhängig machen, also beispielsweise auch im versorgungsstarken Sommer eine Trinkwasserhauptleitung erneuern können. Oder wir arbeiten gerade im Abwasserbereich mit grabenlosen Verfahren, bei denen die bestehenden Leitungen mit Inlinern noch mal für Jahrzehnte fit saniert werden oder auch neue Leitungen grabenlos durch Vortriebsverfahren gebaut werden. Das metert, wir schaffen so mit wenigen Baugruben – ohne die geht’s oft nicht, weil wir müssen ja erst mal runter – aber eben ohne lange Linienbaugräben richtig Strecke. Und die Altersprognosen für diese Liner, die anfangs bei Einführung dieser Techniken bei 30 Jahren lagen, sind technisch schon auf 50 Jahre verlängert, weil die Dinger eben halten und halten. Viele Vorhaben sind heute in Abwägung von technischer Notwendigkeit, technischer Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit übrigens ein Mix aus offenen und geschlossenen Verfahren. Die geschlossenen Bauverfahren schonen ja nicht nur die Straßen, sondern auch Bäume und sie sparen Treibhausgasemissionen, da nicht gebaggert und kein Boden transportiert werden muss.
Gibt’s, kann aber auch am Abbinden von Zement liegen, was der ganz ohne Zutun schafft. Für unser Haus ist zudem bei Vorhaben unter großen Straßen das Abchecken, ob dort Mehrschichtbetrieb möglich ist, inzwischen Standard. Das meint in aller Regel in der Woche „von Licht bis Licht“ und sonnabends bis Mittag. Das hat natürlich Grenzen bei der Genehmigungsfähigkeit – Stichwort Lärm – und auch bei den Kapazitäten der Firmen, aber wir sind da dran.
Die großen Rohre werden das nicht erleben, denn wir haben für die einzelnen Netze Strategien, die bei Abwasserdruckleitungen ein Höchstalter von 60 Jahren für Stahl- bzw. 80 Jahren für Graugussleitungen und bei Trinkwasserhauptleitungen maximal 120 Jahre vorsehen. Unsere Trinkwasser-Rohrschäden sind dank vorausschauender Instandhaltung auf einem historisch niedrigen Niveau. Bei den Abwasserkanälen, wo gerade die ganz alten gemauerten mit heute 150 Jahren noch fast wie neu sind, passen wir gerade unsere Sanierungsstrategie an, und schauen dabei künftig nicht nur auf einzelne Schäden, sondern sehen uns immer auch den Zustand der ganzen Haltung an, also des Bereiches von einem Schacht bis zum nächsten. Aber auch dieses Netz ist funktional, Schäden wie am Kaiserdamm sind die Ausnahme von der Regel. Also: Die Netze funktionieren ohne große Ausfälle oder Schäden an Umwelt oder Eigentum. Und Bauen ist kein Selbstzweck. Wir haben inzwischen im Haus ein auch mit künstlicher Intelligenz arbeitendes Asset Management etabliert, das uns anhand von vielen Faktoren, zu denen Material, Hersteller, Alter, Belastungen, Bodenarten, Schadenshäufigkeiten u. a. m. gehören, signalisiert, wann wir wo was tun müssen.
Ja, wir haben natürlich auch keine seherischen Fähigkeiten.
Ja, wir erhalten unsere Leitungen ja nicht nur und erweitern sie für die Zukunft, sondern planen und bauen mit bei Vorhaben Dritter im öffentlichen Raum. Beispielsweise will die Schöneiche-Rüdersdorfer Straßenbahn ihre Endhaltestelle näher an den S-Bahnhof Friedrichshagen legen, damit die Fahrgäste kürzere Umsteigwege bekommen. Dafür müssen wir Leitungen aus dem Weg legen, damit etwa bei einem Rohrschaden die Tram nicht tangiert wird. Zudem muss auch oft umverlegt werden, weil etwa Brücken gebaut werden oder andere Firmen oder auch wir selbst im Boden Platz für Neues brauchen.
…beschleunigte Genehmigungsverfahren und mehr Menschen für die vielen Aufgaben in der gesamten Kette von der Planung über die Genehmigung bis zum tatsächlichen Bau.