Dr. Darla N. Nickel leitet die Berliner Regenwasseragentur. Ein Gespräch über den Nutzen des kühlen Nasses für die Stadt.
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur verkannte Chancen.
Darla Nickel, Chefin der Regenwasseragentur
Wie eine Stadt mit Regenwasser umgeht, wird immer wichtiger. In Berlin haben wir 2017 einen Jahrhundertregen erlebt. Dies war ein Ausnahmeereignis, das von jedermann wahrgenommen wurde. Aber bereits bei gewöhnlicheren Starkregenereignissen kommt es regelmäßig zu einer Überlastung der Abwasserinfrastruktur, wodurch vor allem unsere Berliner Oberflächengewässer in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Überläufe können durch eine Verringerung der Versiegelung reduziert werden. Mit Blick auf den Klimawandel ist zudem zu erwarten, dass wir künftig auch mit längeren Trocken- und Hitzeperioden konfrontiert werden. Dann benötigt die Stadt Wasser, nicht zuletzt um durch Verdunstung die Stadt zu kühlen. Gerade in Zeiten des Wachstums benötigen wir ein nachhaltiges und klimaangepasstes Regenwassermanagement. Hierzu können zentrale Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt KURAS in die Praxis umgesetzt werden. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen soll die Regenwasseragentur unterstützen.
Berlin wächst und braucht Wohnraum – jährlich bis zu 20.000 neue Wohnungen. Um die negativen Folgen der zunehmenden Versiegelung zu vermeiden, hat das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, dass Regenwasser im Gebiet bewirtschaftet, der natürliche Wasserhaushalt gestärkt und zusätzliche Einleitungen in die vorhandene Kanalisation verringert werden sollen. Neue Wohnungsbaustandorte werden bereits jetzt mit einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung ausgestattet. Hiermit sind Maßnahmen zur Rückhaltung, Nutzung, Verdunstung und Versickerung von Regenwasser wie Gründächer, Versickerungsmulden und Ähnliches gemeint. Ein weiteres Ziel lautet: Jährlich soll im Zuge von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen ein Prozent der Grundstücksflächen von der Mischwasserkanalisation „abgekoppelt“ werden. Je weniger Regenwasser in die Kanalisation gelangt, desto seltener läuft Mischwasser ungeklärt in unsere Flüsse.
Wir wollen Akteure zusammenbringen, Regenwasseragenten gewinnen und gemeinsam Strategien zur Umsetzung der Ziele entwickeln. Wir wollen Interesse für das Thema wecken, die Chancen einer verstärkt dezentralen Regenwasserbewirtschaftung vermitteln und die Umsetzung mit Informations- und Beratungsangeboten fördern. Nicht zuletzt soll die Bewirtschaftung von Regenwasser durch unsere Arbeit ein fester Bestandteil des Städtebaus und der Stadtplanung werden.
Die Regenwasseragentur ist ein gemeinsames Projekt der Berliner Wasserbetriebe und des Senats. Aber auch die Bezirke, Investoren, Grundstückseigentümer und Eigenheimbesitzer haben enormen Einfluss darauf, was mit Regenwasser passiert und ob es sinnvoll eingesetzt wird. Zentrale Multiplikatoren sind die Architekten, Stadt- und Freiraumplaner, Ingenieurbüros und Gartenbaufirmen, die in Berlin die Stadtquartiere, Häuser und Grünflächen planen, bauen und sanieren. Nicht zuletzt ist die Berliner Zivilbevölkerung sehr engagiert und organisiert in Sachen Wasser. Berlin ist eine Stadt am Wasser. Wasser geht jeden an und jeder kann Regenwasseragent sein.
Berlin geht diesen Weg nicht allein. Viele Städte in Deutschland und weltweit versuchen auf ähnliche Weise, aus Regen einen Segen zu machen und das mit nachweisbarem Erfolg. Auch in Berlin gibt es zahlreiche realisierte Bauvorhaben, die aufzeigen, wie Regenwasser vor Ort bewirtschaftet und zur wertvollen Ressource werden kann. Wir bauen auf gute Erfahrungen auf. Daran sieht man: Es gibt kein schlechtes Wetter und wir nutzen unsere Chance.
Zu den Arbeitsschwerpunkten der Diplom-Ingenieurin für Technischen Umweltschutz zählen urbanes Wassermanagement, Anpassungsstrategien an den Klimawandel, Stadtentwicklung und Wissenschaftskommunikation. Sie ist seit vielen Jahren als Wissenschaftlerin sowie in der Kommunal- und Politikberatung tätig. Zuletzt war sie Partner im Verbundforschungsvorhaben KURAS – Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersysteme.