Die städtische Wasserinfrastruktur steht durch Klima- und demografischen Wandel vor zunehmenden Herausforderungen. Das vom BMBF geförderte Verbundforschungsprojekt KURAS liefert aufgrund einer weltweit einzigartigen Datenbasis ein Planungstool, das Regenwasserbewirtschaftung und Abwassermanagement ganzheitlich, vom höchsten Dach über den tiefsten Kanal bis zur entferntesten Kläranlage betrachtet.
Es zeigt, wie durch ein verbessertes Regen- und Abwassermanagement nicht nur Abwasserentsorgung, Gewässerqualität und Stadtklima sondern letztlich die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden kann.
KURAS steht für Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersysteme. Vor drei Jahren ist das Forschungskonsortium KURAS mit 15 Partnern angetreten mit dem Ziel, erstmals die gesamte Stadt «vom Scheitel bis zur Sohle» zu betrachten und Werkzeuge zu entwickeln, mit denen sich Maßnahmen zur Bewirtschaftung von Regenwasser über der Erde und Anpassung der Abwassersysteme unter der Erde simulieren und bewerten lassen.
Das dient nicht nur der Vermeidung von Überschwemmungen bei Starkregen, sondern auch der Vermeidung von Hitzeinseln bei hohen Temperaturen und damit der Verbesserung des Stadtklimas. Wichtigstes Ergebnis des Projekts: eine ganzheitliche Betrachtung ist notwendig und die Kombination verschiedener Maßnahmen sinnvoll.
Konzepte der dezentralen Versickerung, Verdunstung, Nutzung oder Speicherung von Regenwasser am Ort des Niederschlags werden bereits praktiziert. Im Einsatz sind beispielsweise Baum-Rigolen-Systeme, grüne Dächer und Fassaden, Teiche und vieles mehr. Im Rahmen von KURAS haben die Forscher untersucht, wie sich solche dezentralen Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung in bestehende Stadtstrukturen implementieren lassen und dort tatsächlich positive Wirkungen entfalten können.
Tatsächlich ist es für Stadtplaner eine große Herausforderung, bei kleinteiligem Baubestand mit sehr stark variierenden Baustrukturen dezentrale Maßnahmen des Regenwassermanagements zu planen und deren Wirksamkeit zu prognostizieren. Hier diente das Quartier rund um das Rathaus Schöneberg als Referenz. Die Forscher haben simuliert, wie sich zum Beispiel durch ein zeitlich begrenztes Einstauen von Teilen des angrenzenden Volksparks Schöneberg-Wilmersdorf eine Überlastung der Kanalisation verhindern ließe. Darüber hinaus erfolgten weitere Untersuchungen in einem Modellgebiet in Berlin-Pankow.
Die Erkenntnisse und Methoden aus dem Projekt sind vor dem Hintergrund der «Wachsenden Stadt» mit der dynamischen Bevölkerungsentwicklung und dem damit einhergehenden Wohnungsneubau und der weiteren Verdichtung auch für Neubauvorhaben von aktueller Relevanz.
Im Projekt KURAS wurde eine Methode entwickelt, Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung für ganze Stadtviertel zu planen. Die entwickelten Maßnahmenkombinationen zeigten das große Potenzial von Regenwasserbewirtschaftung zum Schutz von Oberflächengewässern und die Verbesserung des Stadtklimas, insbesondere die Verhinderung von lokalem Hitzestress.
So können viele kleine, dezentrale Maßnahmen der gebäude- bzw. grundstücksbezogenen Regenwasserbewirtschaftung wie Gründächer, Versickerungsmulden, Teiche oder auch klassische Regenspeicher dafür sorgen, dass die Aufnahmekapazität der Kanalisation seltener an ihre Grenzen stößt. Gleichzeitig schaffen sie «Kälteinseln», die nicht nur die Aufenthaltsqualität für die Bewohner steigern sondern auch städtischer Flora und Fauna wertvollen Lebensraum bieten.
Darüber hinaus haben betriebliche und konstruktive Maßnahmen im städtischen Kanalnetz großes Entwicklungspotenzial. Ansatzpunkte sind hier die bessere Ausnutzung vorhandener Stauräume, neue Kanalspülungskonzepte und auch die betriebliche und bauliche Optimierung der Kläranlagen. Auch der Betrieb von Abwasserpumpwerken kann durch intelligente Steuerung und verbesserte Pumpentechnik optimiert werden.
Um sinnvoll mit Regenwasser umzugehen müssen für die gesamte Abwasserinfrastruktur - von der Stadtoberfläche über das Kanalnetz und das Pumpsystem bis hin zur Kläranlage - Lösungsansätze entwickelt werden.
KURAS hat mit dem Zeithorizont 2050 eine Methodik entwickelt, die eine konsequente integrale Bewertung von Anpassungsmaßnahmen und deren Verknüpfung zu Anpassungsstrategien ermöglicht. Modell stand dafür der Berliner Ortsteil Wilmersdorf. Dabei wurden viele Anpassungsmaßnahmen sowohl experimentell als auch über Simulationsmodelle untersucht und in einem Katalog zusammengefasst.
Die neue Methode geht jedoch darüber hinaus: Durch die integrierte Betrachtung und Bewertung einzelner Umbauten für das gesamte Abwassersystem konnten konkrete Maßnahmenkombinationen entwickelt werden, die mit lokalen Anforderungen und Herausforderungen verknüpft sind. Zusätzlich wurden durch die Gesamtsystembetrachtung Synergien genutzt und mögliche negative Wechselwirkungen zwischen Teilsystemen vermieden (z. B. eine Verschlechterung der Ablaufwerte der Kläranlage).
Für dieses Berliner Modellgebiet konnten alle Problemfelder (z. B. Mischwasserüberläufe oder Überflutung an der Oberfläche) verbessert oder sogar behoben werden. Durch eine flankierende Kostenbewertung und Stärken-/Schwächen-Analyse der entwickelten Anpassungsstrategien wurden robuste, systemumfassende und übertragbare Handlungsempfehlungen für Betreiber von urbanen Abwassersystemen ausgesprochen.
Hintergrund
Seit 140 Jahren sorgt die Mischwasser-Kanalisation in Innenstädten für die Einhaltung von hygienischen Standards und schützt Grundstücke und Häuser vor Überschwemmungen. Allerdings kommt die Kanalisation bei starken Regenfällen immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Dann muss verdünntes Schmutzwasser direkt in Oberflächengewässer abgeleitet werden, worunter die Gewässerqualität leidet.
Zwar wurde in den vergangenen Jahren schon sehr viel neuer Speicherraum gebaut, der die Häufigkeit solcher "Mischwasserentlastungen" reduziert. Aber schon heute ist klar, dass auch mit den bis 2020 geplanten weiteren Speicherkapazitäten dieses Problem nicht flächendeckend zu lösen ist.
Gleichzeitig stellt die Betreiber von Kanalnetzen auch das Phänomen «Unterlast» vor große Herausforderungen. In Trockenperioden und in Zeiten verringerten Trinkwassergebrauchs wird die Kanalisation nicht ausreichend durchgespült. Geruchsbelästigungen, Störungen in Abwasserpumpwerken, Verstopfungen und Korrosion sind die Folge.
Solche Trends werden sich in Folge des Klimawandels weiter verstärken. Für Städte sind daher zukünftig Konzepte gefragt, die zum einen weiterhin die Entsorgungssicherheit gewährleisten, gleichzeitig aber Beiträge zur Lösung der mit der urbanen Hydrologie eng verknüpften Umweltprobleme wie Gewässer- und Grundwasserbelastung liefern. Hier setzen die in KURAS erzielten Ergebnisse an.