Jeder zweite Kilometer Abwasserkanal wird heute in Berlin in grabenloser Bauweiser errichtet. Seit 1984, dem Geburtsjahr des Mikrotunnelbaus, waren das rund 600 Kilometer Sammel- und Hausanschlusskanäle. Damit mussten mehr als 1 Mio. m2 Fahrbahnfläche weder aufgebrochen noch wiederhergestellt werden. Über 2 Mio. m3 Boden wurden nicht ausgehoben. Rund 200.000 Kipper blieben unbeladen, verursachten weder Krach, noch Gestank, Stau oder Unfälle. Stattdessen konnten die Berliner Wasserbetriebe seit 1984 rund 70 Mio. Euro in andere Bauvorhaben investieren. Denn Microtunneling schont Umwelt, Bau- und Baumsubstanz, Nerven und Etats. Der entscheidende Vorteil: Abgesehen von je einem Start- und Zielschacht - und je nach Streckenlänge wenigen Revisionsschächten - bleibt die Oberfläche der Tunnelstrecke unberührt.
"Die Berliner Wasserbetriebe haben mit einer zielgerichteten Ausschreibungspolitik eine subventionsfreie Entwicklung der grabenlosen Verfahren durch Schaffung eines Marktes ermöglicht und ihnen so zum Durchbruch verholfen", erklärt Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens zum heutigen Baustellentag der internationalen Messe Wasser Berlin 2006.
Am 7. Juni 1984 fiel in Berlin der Startschuss für den automatisch gesteuerten, grabenlosen Tunnelvortrieb für Rohrsysteme mit 250 mm Durchmesser. So wurde erstmals im kleinen Maßstab praktiziert, was bis dahin für mannshohe, begehbare Tunnel bereits möglich war. Unten bauen, oben die Stadt ungestört lassen. Damit fand in Berlin nahezu unbemerkt eine technologische Revolution statt. Die Wasserbetriebe - damals noch Berliner Entwässerungswerke - trieben den neuen Weg konsequent voran. Mit der "Berliner Bauweise" - wie das sternförmige Heranführen der grabenlosen Anschlusskanäle an Start-, Ziel- und Hilfsschächte in der Fachwelt heißt - gelang dem Microtunnelling der endgültige Durchbruch. Heute ist das Verfahren international etabliert, werden Rohrdurchmesser von 20 Zentimetern bis drei Metern so verlegt, aber auch bestehende Systeme saniert.
Was mit den Kanälen begann wird heute auch im Rohrbereich immer mehr praktiziert. So haben sich das Verfahren hydros des Berliner Bauunternehmens Karl Weiss oder das von den Berliner Wasserbetrieben entwickelte und durch Vergabe von Lizenzen verbreitete Hilfsrohrverfahren inzwischen zu Verfahrensfamilien entwickelt.